Wann Tillandsien befeuchten ?

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Harro
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Wann Tillandsien befeuchten ?

Beitrag von Harro »

Hallo, was macht man an einem total verregneten Samstag ? Richtig - ein bißchen im Internet stöbern. Heute habe ich Webseiten über Tillandsien gelesen. Was las ich da oft ? Abends sprüht man seine Tilandsien nicht - sie müssen unbedingt abtrocknen. Noch schlimmer, sie verfaulen dann.
Wie sieht es denn aber in der Natur aus ? Im Orgelgebirge, Chapada Diamantina (Brasilien) Cuernavaca, Tehuacan, Oaxaca (Mexiko) Saraguro, Cuenca,Azogues (Ecuador) Tarapoto, Huancayo (Peru) wo ich u.a. war, sieht es so aus, jedenfalls ein Großteil des Jahres, tagüber heiß und in der Nacht kalt bis saukalt ist. Das hat zur Folge, dass es nachts teilweise sehr feucht ist. Z.B. bei Morro de Chapéu (Chapada Diamantina) sind die Felsen nachts fast klitschig vor Feuchtigkeit. In Petropolis (Orgelgebirge) wo ich oft übernachtet habe sind die Bettdecken richtig klamm vor Feuchtigkeit. Auch in Saraguro sah es nicht anders aus. Nichts ist es mit nachts müssen die Pflanzen abgetrocknet sein.
Ich selbst nehme überhaupt keine Rücksicht auf den Gießmodus. Im Sommer hängen die Pflanzen auf der Südterrasse - unheimlich heiß. Wer im Sommer schon bei mir war hat es erlebt. Wasser gibt es nur, wenn es von oben kommt. Im Winter sind sie im Gewächshaus bei + 9°- 13° und mit einer einzigen Wassergabe in der Woche.
Ich bringe auch keinen Regenschutz an. Bisher hat es meinen Pflanzen nicht geschadet, selbst wenn es 4 oder 5 Wochen geregnet hat. In der Natur gibt es auch dies.
Also ich möchte gerne wissen wer der Erfinder ist, dass Tillandsien unbedingt über nacht abgetrocknet sein müssen. Was sind Eure Erfahrungen ?
Grüße
Harro
Spielmannsfluch89
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Re: Wann Tillandsien befeuchten ?

Beitrag von Spielmannsfluch89 »

Hallo Harro. Ich denke diese Erfahrungen beziehen sich auf die Zimmerkultur bei Normalsterblichen. Tagsüber ist noch ( im bestenfall) Sonne die auf die Tillandisen scheint und so die Feuchtigkeit wegnimmt. Sprüht man Abends wird die Feuchtigkeit im Zimmer die ganze Nacht auf den Pflanzen hängen.
Natur ist auch immer was anderes als Kultur. Im Garten/Terrasse haben sie ja die Grundbedürfnisse alle zusammen und auch teils rund um die Uhr. Ich nenne da nur einmal den Wind. Der trocknet in ner mittleren Regenpause dann schon wieder einiges ab. Dann gehts von vorne los.
Persöhnlich kultiviere ich im Terrarium wo ich morgens sprühe. d.h. bei mir ist Abends durch Ventilator wieder alles trocknen oder durch Licht und Wärme, je nach Terrarium. Im Kasten oder am Fenster würde ich lieber nicht abends sprühen. Aber ist eigene Meinung. Draußen kann man es wie du selbst auf den Tisch legst ohne Bedenken kultivieren.
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Timm Stolten
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Re: Wann Tillandsien befeuchten ?

Beitrag von Timm Stolten »

Hallo Harro,

ich kann nur von meinen Erfahrungen sprechen aber ich habe gelernt, dass man die natürlichen Bedingungen selten 1:1 auf die Kultur übertragen kann. Und es gibt Beispiele wo Pflanzen erst dann dann gut wachsen, wenn man ihnen so ziemlich das Gegenteil dessen bietet was sie von zuhause gewohnt sind. Ein Zitat eines ehemaligen Professors: Wer sagt denn dass der natürliche Standort einer Art auch der optimale ist? Dann würde es ja keine Neophyten gehen (Pflanzen aus anderen Ländern, die sich z.B. bei uns massenhaft ausbreiten)

Ein weitere "Nachteil" ist, dass viele Bromelien recht hart im Nehmen sind und unterschiedliche Kultur erst nach längerer Zeit zu sichtbaren Unterschieden führt.

Außerdem solltest Du bedenken, das in der Natur
1.) selten so schön aussehen, wie unsereiner sie hier gerne haben möchte
2.) das dort auch der Tod alltäglich ist, wir ihn in der Kultur aber vermeiden wollen, weil man oft nur wenige Pflanzen einer Art hat, die möglichst alle überleben sollen.

Wie schon erwähnt, ist ein wichtiger Punkt der Wind. Viele Tillandsien vertragen viel Wasser solange sie schnell wieder abtrocknen. Bestes Beispiel ist Tillandsia usneoides. Wie oft kommen Leute zu mir, die denken, sie könnten die Pflanzen ins Badezimmer hängen und einmal am Tag abduschen. Das Problem ist dann, dass sie im geschlossenen Bad stundenlang nass bleiben und in kürzester Zeit von innen, wo sie am langsamsten abtrocknen, verfaulen.
Feuchtigkeit und Kälte in Kombination sind Gift. Ich habe vor 4 Wochen meine Pflanzen ausgeräumt. Sie haben Unmengen an Wasser abbekommen, sind mangels Sonne kaum abgetrocknet und vor 10 Tagen hatten wir Nachttemperaturen um 3-4°C gepaart mit Regen. Und ich habe einige Pflanzen mit ernsten Schäden an den Blättern gefunden. In meiner Not habe ich alle Tillandsien-Gestelle mit Folie abgedeckt und hoffe, dass es sich bald ändert. - Aus diesem Grunde kultiviere ich z.B. Tillandsia xerographica nur noch drinnen. Die haben in den letzten Jahren ein paar mal im September kalte Nächte mit Regen abbekommen und hatten Tage später gelbe Flecken auf den Blättern, die anschließend braun wurden. Die Blätter waren ein paar Monate später total hinüber und es hat Jahre gebraucht bis sich das wieder rausgewachsen hat. Das mache ich nicht nochmal.

Auch ich bin ein Befürworter des Trocken-in-die-Nacht-Gehens, denn nur so kann man Pilzbefall und die geschilderten Schäden besser vermeiden. Besonders im Winter, wo Luftumwälzung fehlt bleiben die Pflanzen sonst zu lange nass und ruckzuck hat mal Pilze drin. Genauso bin ich ein Gegner der Behauptung, dass bei Bromelien immer Wasser im Trichter stehen muss oder gar, dass man Trichter-Bromelien nur über den Trichter giessen soll. So steht es ja in jeden Frauenzeitschrift. Ich habe schon Vrieseen gehabt, die trotz randvollem Trichter bei trockenen Substrat die Blätter eingerollt haben.

Wenn Deine Methode bei Dir klappt, dann freut es mich für Dich. Ich habe viele Tipps von anderen Leuten ausprobiert, aber nicht jeder hat bei mir geklappt. Jeder hat andere Arten und andere Kulturbedingungen und sollte seine eigenen Erfahrungen machen.

LG Timm
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Phytoman
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Re: Wann Tillandsien befeuchten ?

Beitrag von Phytoman »

Hallo zusammen!

Mir kamen beim Lesen dieses Threads ein paar Gedanken:
Das von Dir (Harro) beschriebene Phänomen bezieht sich in erster Linie doch auf die Erhöhung der Luftfeuchte durch einen Temperatursturz. Manchmal gibt's Regen, auf jeden Fall aber Tau. Letzterer bildet sich vor allem zum Ende der Nacht, wenn es am kältesten ist. Bald darauf geht aber auch schon wieder die Sonne auf und es ist schnell - zumindest oberflächlich - trocken. Wo die meisten Tillandsien wachsen ist's kein Nebelwald, sondern tagsüber trocken. Also die Sonne in den Tropen ist ja eine ganz andere 8)
Zudem: wenn's nachts nass ist, ist das KEIN Übersprühen,
die Felsen nachts fast klitschig vor Feuchtigkeit
und zwar genau so! Da gab es mal eine Faustregel für Orchideengärtner, die besagte, dass Pathogene, also Krankheitserreger (besonders Pilze waren gemeint) nach zwei Stunden auf dem nassen Blatt "Fuss gefasst" haben. Aber wenn es triefnass ist und frisches Wasser nachtropft, welcher Krankheitserreger wird da genug Zeit haben, bevor er weggespült wird???
Die Regenzeit ist dann aber für Tillies "die Hölle", da kann es selbst in den Tropen z.B. in den Hochlagen der Anden für die Pflanzen eng werden...
Luftbewegung ist definitiv wichtig für Pflanzen, sie können einfach nicht aktiv atmen und sind darauf angewiesen, dass ein Gasaustausch gewährleistet ist.
Für meine Tillies, bevorzuge ich das "immer viel"-Prinzip: viel gießen - viel lüften. Aber wenn es länger trüb ist vermeide ich ersteres nach Möglichkeit. Und meine Tillandsien sind fast ausschließlich IM Gewächshaus, d.h. wenn mal die Sonne rauskommt sind sie ganz schnell wieder trocken.
Naja, Timm, dass Pflanzen in der Natur selten schön aussehen kann ich nicht so stehen lassen. Es stimmt, dass man oft zerrupfte, angefressene, verdreckte Pflanzen findet, aber doch, es gibt doch auch immer wieder wunderschöne, oder nicht? :)
Dann lass uns mal Wind machen oder zumindest lüften, lüften, lüften :D
Arne
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Matthias
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Re: Wann Tillandsien befeuchten ?

Beitrag von Matthias »

Hallo,

ich denke für das richtige Wässern von Tillandsien in unseren Breiten, wo man um einen Indoor-Aufenthalt nicht herum kommt, wird es kein Novum geben. Manche haben die Pflanzen ganzjährig im Gewächshaus, manche räumen im Sommer raus, manche haben nur die Wohnung und und und. So bleibt halt für jeden nur der Punkt zu probieren ob die Tipps anderer zu übernehmen sind. Und manchmal muss man halt auch eigene Wege gehen, wenn die Möglichkeiten eingeschränkt sind. Ich habe z.B. meine Kalthausabteilung im vergangenen Winter, (Ende Oktober bis Ende März) ja der war wirklich lang, nur 3 mal gewässert. Dazu lagen aber die Temperaturen zwischen 5 bis 15 Grad. Verluste: ja 4 Pflanzen von knapp 100. Jetzt hängen sie draußen und saufen langsam ab, sehen aber prächtig aus und bringen Blüten aus allen Ecken. Ich werde aber achtsam bleiben zumal nach den Worten von Timm.
Wovon ich überhaupt nichts mehr halte, das habe ich aber auch hier schon mal geschrieben, ist besonders im Winter, die Tillandsien täglich zu sprühen. Man verfällt viel zu schnell in den Glauben, meine Tillandsien sehen so vertrocknet aus ich muss unbedingt sprühen, dabei sehen sie nur so aus weil sie von innen schon beginnen zu verfaulen. Meine Winter Indoors werden einmal in der Woche kräftig geduscht und fertig. Da gehen sie auch ab und zu mal noch feucht in die Nacht. Aber im Verlauf der Woche können sie gut abtrocknen. Aber wie zu Beginn geschrieben es funktioniert bei mir, beim nächsten kann das auch komplett schief gehen.
Und noch eines musste ich mir eingestehen, manche Tillandsie kann ich nicht auf Dauer halten und somit lege ich sie mir auch nicht noch einmal zu, so verlockend das Angebot manch mal ist.

Beste Grüße aus Land unter Chemnitz

Matthias
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