In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Fragen zur Kultur und Pflege, Vermehrung, Düngung, Technik,
Schädlingen und Pflanzenschutz etc.
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JoachimInB
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In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von JoachimInB »

Hallo Leute,

gibt es eigentlich in dieser Runde irgendwelche Erfahrungen mit der In-Vitro-Kultur von Bromelien? Z.B. Aussaat in vitro? Die Holländer sollen ja sogar mit der Meristemkultur Erfolg haben, z.B. bei Tillandsia dyeriana und sicher auch T. cyanea und weiteren. Wie sieht es jedoch mit "grauen" Tillandsien aus?

Es gibt ja durchaus Hobby-Orchideenzüchter, die mit relativ simplen Mitteln wie Kochtopf und Mikrowelle steril arbeiten können und erfolgreich Orchideen z.B. auf Bananenbrei aussäen. Ich könnte mir vorstellen, dass dies eigentlich auch bei Tillandsien gehen müsste. Es wäre doch sehr wünschenswert, wenn man von sehr seltenen Tillandsien die wenige Saat unter Bedingungen heranziehen könnte, die auch eine hohe Keimrate "garantiert". In der Flasche bräuchten die Sämlinge im Prinzip nur geeignete Licht- und Temperaturbedingungen; die Feuchtigkeit ist kein Thema, weil ein "Zuviel" nicht zu Fäulnis führen kann, so dass man nicht immer dabei stehen muss und auch mal längere Zeit abwesend sein kann. Das Hauptproblem dürfte das spätere Akklimatisieren der Jungpflanzen sein, aber das kriegt man bei Orchideen ja auch hin, warum also nicht bei Bromelien?

Ich erinnere mich an ein Experiment, bei dem Anfang der 90er IIRC ein Diplomand am botanischen Institut in HH unter Aufsicht von Werner W. seltene Tillandsien wie T. kautskyi, sprengeliana in vitro ausgesät hat, was auch funktioniert hat. Richtige Ergebnisse hat es aber meines Wissens nie gegeben und ich weiß nicht, wo letztlich das Problem gelegen hat. Grundsätzlich lässt sich die Wachstumsrate der Sämlinge aber wohl vervielfachen und auch Saat aus unreifen Kapseln verwenden.

Gibt es damit in dieser Runde Erfahrungen?

Interessant fand ich schon mal diesen Link (auf englisch): http://fcbs.org/articles/slack.htm

Grüße,
Joachim
Timm Stolten
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Leider noch nicht probiert

Beitrag von Timm Stolten »

Hi Jo,
das ist echt ein spannendes Thema, aber bisher habe ich es leider noch
nicht probieren können. In vitro Kultur ist eine Sache für sich, da braucht
man erst mal ein Haufen Zeug, die richtige Einrichtung und 'ne Menge Erfahrung.
Ich habe nichts davon :-(
Vor ein paar Jahren war ich mal auf einem Seminar über das Thema an der
Fachschule für Gartenbau in Geisenheim. Da klang das alles gar nicht so
schwer, aber letztendlich ist es bei uns an den finanziellen Mitteln gescheitert.

Wenn Dein Englisch es zulässt :roll:, dann frag doch mal INRI aus Südafrika
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der hatte mich deshalb schon mal kontaktiert.

Für was steht eigentlich "IIRC" ??

Gruss Timm
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Uwe Tholen
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IIRC

Beitrag von Uwe Tholen »

In diesem Artikel wahrscheinlich:

"If I Remember Correctly"

Gruß U. Tholen
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Charles Dawkins
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Re: In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von Charles Dawkins »

Schade das so ein wichtiges Thema über die Jahre vollkommen zum Erliegen gekommen zu sein scheint!

Ich greife diesen Thread nochmal auf und werde mich einmal bei Succulent Tissue Culture (S.T.C.) in den Niederlanden schlau machen.

Dort werden seit 1995 zum Teil seltene und langsam vermehrbare Pflanzen in Zellkultur vermehrt. Erfahrungen wurden dort mit vielen Pflanzengruppen gemacht, ganz klar die 'Cashplants' sind wohl die Haworthien.

Um mal von ihrer Webseite zu zitieren:
Robert Wellens started in 1995 STC which has grown to a medium-sized tissue culture laboratory mainly focussed on the in vitro multiplication of rare and endangered succulent plants, which include many plants like Haworthia, Aloe, Gasteria but also Echeveria, Dracaena, Bulbine, Agave, Yuca and many more succulent plants.
[1]

Es werden dort auch schwer zu pflegende, bedrohte Arten vermehrt wie z.B. Socotrella dolichocnema, Haworthia marxii und andere. Auch scheint man experimentierfreudig zu sein, so wurde z.B. erfolgreich die kaum bekannte wundervolle Lecanophora subacaule (nicht sukkulent) aus Patagonien vermehrt.

Bromeliaceae findet man bislang keine im Angebot.
Aber zumindest Dyckia, Hechtia oder Encholirion etc. würden sich wahrscheinlich gut eignen.
Sie sind recht teuer, sie sind verhältnismäßig klein, sehr attraktiv, sukkulent und oft in der Natur selten oder bedroht. Außerdem sind insbesondere attraktive Klone nur vegetativ oder durch Zellkultur vermehrbar.

All diese Punkte schreien geradezu danach die Zellkultur mit diesen Pflanzen zu versuchen!

Die Pflanzen sind ungemein attraktiv, aber die Verfügbarkeit ist zumindest in Europa extrem schlecht.
Meiner Meinung nach würde bei größerer Bekanntheit der Arten auch die Nachfrage hierzulande deutlich ansteigen.

Wenn es mit diesen Arten klappt könnte man es ja auch mal mit seltenen Tillandsien versuchen die sich nur schwerlich vermehren, aber auf vielen Wunschlisten stehen, wie z.B. T. grazielae, organensis, reclinata, thiekenii. Auch die seltenen monocarpen Arten ließen sich so zuverlässig erhalten und verbreiten.

Aber genug geträumt.
Ich werde sie mal anschreiben, und schauen ob es eine reale Chance gibt...

Gruß,
Kai

Quelle:

[1] http://www.succulent-tissue-culture.com/EN/home
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Berlinickerin
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Re: In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von Berlinickerin »

Das ist wirklich ein spannendes Thema. Und offenbar schon eines, wo eifrig geforscht wird. Habe einen Artikel von 1977 gefunden und dann einiges bis in die 2010er.

Bei Orchideen ist diese Art der Vermehrung ja standardisierter Teil der Massenproduktion. Und Du hast ja ganz Recht, Kai, dass Angebot und Nachfrage eng zusammen hängen. Wäre echt spannend zu wissen, ob es Orchi-Labore gibt, die sich inzwischen auch an Tillandsien bzw. Bromelien versuchen. Rölle zum Beispiel haben ein eigenes Labor und verkaufen als "Begleitpflanzen" z.B. auch Tillandsien

Viele Grüße
Jule
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Charles Dawkins
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Re: In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von Charles Dawkins »

Naja, ich habe mir mal die Seite von Rölle angesehen.
Das Sortiment ähnelt frappierend dem von Dötterer, inclusive der falsch bestimmten Tillandsia fuchsii var. gracilis die als T. argentea angeboten wird und einer T. kolbii die keine ist. Die echte ist extrem selten, und ich konnte sie bisher nur bei Andreas im Gewächshaus bewundern. Auch Tillandsia gardneri wird in beiden Shops 'Tillandsia gardnerie' geschrieben, was wohl kaum ein Zufall ist. :scratch

Also mit Sicherheit keine aus Zellkultur stammenden Pflanzen!

Tillandsien sind leider nur das zugekaufte Beiwerk das man neben den Orchideen an die Kunden weiterverkauft. Aber ja, zumindest die Orchideen werden in großem Maßstab in Vitro herangezogen.

Was passiert indes bei Bromelien? Nun, wir können anscheinend froh sein das sie nichtmehr als Verpackungsmaterial eingesetzt werden, sondern inzwischen als Begeitpflanzen akzeptiert werden. :edoh

Es ist ja auch nicht so als wenn Zellkultur bei Bromelien neu wäre!
Bei Neoregelia funktioniert es ja auch. Hier werden Billigpflanzen für z.B. diverse Baumarktketten auf Masse produziert.

Die Frage ist halt warum sich kein Zellkulturlabor der bedrohten Pflanzen und der vielen seltenen Juwelen unter den Bromelien annimmt.

Ein Beispiel:

Vor wenigen Jahren war die Wasserpflanzengattung Bucephalandra (Araceae) den meisten Menschen noch völlig unbekannt. Es sind Pflanzen die sehr langsam wachsen, aber dafür sehr vielgestaltig und attraktiv sind.

Dementsprechend groß war der Druck auf die natürlichen Populationen nachdem erstmal einige Arten angeboten wurden. Aufgrund der großen Vielfalt begannen viele Aquarianer möglichst viele Formen zu sammeln. Die Sammelleidenschaft steckt wohl irgendwie in uns allen.

Die Pflanzen wurden schließlich in die Zellkultur aufgenommen um die immer größer werdende Nachfrage stillen zu können. Denn die natürlichen Bestände waren mittlerweile bei einigen Formen bereits bedrohlich kollabiert.

---

Genau das passierte und passiert auch weiterhin bei vielen Tillandsien und anderen Bromelien:
Ihre Wildpopulationen werden geplündert. Im Extremfall sogar mit Hubschrauber und Seilmannschaften!

Wer einmal eine Dyckia delicata, Encholirium agavoides, Orthophytum humile oder eine Tillandsia thiekenii gesehen hat kann wohl verstehen das man vieles tun würde um diese Pflanzen sein eigen zu nennen.

Nur im Gegensatz zum oben genannten Beispiel werden bei den meisten Bromelien die seltenen und langsam wachsenden Arten leider eben noch immer nicht per Zellkultur vermehrt.
Dabei könnte so der Druck auf die Naturbestände reduziert, die Bestände seltener Arten im Hobby dauerhaft gesichert, und ein gutes Geschäft gemacht werden.
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Charles Dawkins
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Re: In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von Charles Dawkins »

Huhu zusammen,

ich bin etwas später dran als erhofft, aber ich habe eben endlich eine solche Anfrage verfasst.
Ihr werdet selbstverständlich von mir über Neuigkeiten diesbezüglich Informiert. :ewhistle

Liebe Grüße,
Kai
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Berlinickerin
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Re: In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von Berlinickerin »

Oh ja, bitte! Denn nachdem ich vorgestern in einer Zoohandlung Tillies von Dötterer gesehen habe, frage ich mich, ob der Markt nicht größer ist, als man so denkt und sich In-Vitro nicht auch finanziell lohnen würde...

Viele Grüße
Jule
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Charles Dawkins
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Re: In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von Charles Dawkins »

Ich habe mittlerweile eine positive Zusage bekommen!

Herr Wellens von STC möchte in seiner Gärtnerei den Versuch wagen einige seltenere Arten zu vermehren.
Zunächst wohl ein- oder zwei interessante Arten zu Testzwecken.

Er hat in seiner Vergangenheit schon einige Bromelien kommerziell in Zellkultur vermehrt, das Wissen ist also vorhanden. Das Interesse seltene Arten zu vermehren ist groß, allerdings wies er mich darauf hin das ihr Betrieb leider keinerlei Subventionen erhält, weder vom Land noch aus Brüssel.

Das heißt dass die ganze kostspielige Laborausrüstung vom Betrieb getragen werden muss. Dementsprechend muss es sich für ihn wirtschschaftlich rentieren, sollte er später solche Pflanzen ins Sortiment aufnehmen. Außerdem hat er wie zu erwarten war ein Platzproblem, also wenig Raum für zusätzliche Pflanzen. Auch hier gilt wohl das an einen Ausbau nur dann zu denken ist wenn es sich rentiert.

Ein weiteres Problem stellt für ihn die Beschaffung seltener Arten dar.
Er benötigt zumindest momentan noch ausgewachsene Pflanzen, Jungpflanzen oder Saatgut aus genau definierter Herkunft, um die Zellkultur zu starten.
Pflanzenteile sind derzeit leider noch nicht möglich als Grundlage, dafür muss er erst forschen.
Dies wiederum kostet Zeit und Geld.

Nun denke ich das wir innerhalb der DBG sicher viele Sammler haben die seltene Pflanzen mit genauen Herkunftsangaben kultivieren. Auch in der Schutzsammlung sind genau definierte Herkünfte vorhanden, sie verfolgt ja auch die Arterhaltung. Ebenfalls wären Botanische Gärten denkbar.

So, das war es erstmal von meiner Seite aus.
Ich denke uns eröffnet sich hier die Möglichkeit einige im Hobby und in der Natur besonders seltene Arten zu vermehren und zu erhalten. Insbesondere Arten die nach einmaliger Blüte absterben, also monocarpe Arten, sind mittels Zellkultur wesentlich sicherer zu schützen, zu erhalten und zu vermehren.

Nun bin ich um jede Mithilfe dankbar!
Gebt mir eure Meinungen, Anmerkungen, Kritik, Adressen, Bezugsquellen, Pflanzenvorschläge...
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Arvensis
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Re: In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von Arvensis »

Hallo Kai,

erstmal Danke für die Anfrage.

Also grundsätzlich interessiert mich das Thema als solches ja auch, allerdings sollte man nicht glauben dass man einfach einen Pflanze nehmen kann und Schwupss hat man dann 10.000e mehr.

Man benötigt neutrales Zellmaterial ohne Spezialisierung (Stammzellen) zur Bildung von Calli, bei grauen Tillandsien die keine oder kaum Seitentriebe bilden ist das nicht so einfach, zumal die Zellen auf die Saugschuppenfunktion ausgerichtet sind. Bei den grünen Bromelien wie auch bei sukkulenten Gattungen/Arten generell ist das sehr viel einfacher aufgrund ihrer Größe, Zellstruktur und einfach dem Vorhandensein von deutlichen Seitentriebanlagen.

Sehr bekannt sind die einfach zu vermehrenden Gesneriaceae (u.a. Drehfrucht, Usambaraveilchen) bei der man mit Blattstücken vermehren kann. Aechmea, Vriesea und Guzmania sind relativ leicht zu klonierende Gattungen.

Die Klon-Zellkulturen benötigen fast genauso lange wie die Aussat über in vitro, dh. zw. 4-10 Jahre für große/langsamwachsende Tillandsien-Arten. Aufgrund der enstehenden Sterilität der Blüten wird bereits versucht via Gammastrahlung künstliche Mutationen in einer Kultur zu erzeugen, das erhöht aber leider die Letalität. Schwierig ist ebenso das richtige Verhältnis IAA/BAP im Nährmedium das für viele Arten individuell eingestellt werden muss. Ansonsten führt das zu Mutationen. Das Umbetten usw. ist ein hoher Aufwand.

Tausende genetisch identische Klone einer Pflanze selbst bei Fertilität können u.U zu einer Keimplasma-Erosion /schwindende genetische Variabilität führen.
Fazit: durch Zell-Klonierung würde man zwar kurzfristig den Bestand in der Natur erhalte, aber vielleicht nicht auf Dauer den Erhalt der Art. Deshalb versucht man ja über Saaten in vitro zu vermehren.

Bekannte Labore in Deutschland sind Selecta/SteriPlant/NextPlant bei der namhafte Orchideenbetriebe ihre Züchtungen kultivieren lassen. Das kann man übrigens auch privat.

Ein weiteres Problem besteht im Schutz der Art (Markenrecht). Die meisten Betriebe verkaufen Lizenzen, d.h. man muss nicht nur für die Kultur zahlen sondern auch für das alleinige Besitzrecht. Dazu CITES und natürlich noch diverse Handels-Papiere, denn Massenvermehrung im privaten Bereich wie auch im Kleinbetrieb ist eine kommerzielle Sache.

Ich will das keinewegs schlecht reden, aber man sollte hier nicht den Aufwand und vor allem die Kosten unterschätzen. Vor 15 Jahren hatte ich mal eine Anfrage gestellt zu einer Orchideen-Hybride, Kostenfaktor etwa 3.000 Euro/Jahr auf 3 Jahre, wenn man dem Labor 50% der Pflanzen überlässt. Das kann sich ja jetzt geändert haben, hier sollte man sich aber genau informieren ..

Allerdings: die Direkt-Vermehrung mittels Phytokinine scheint ja recht erfolgreich zu sein. Vielleicht da ansetzen ?

Insgesamt: Überlegen welche Art(en) in Frage käme, welches Labor problemlos und kostengünstig produzieren kann. Dazu könnte wir übrigens Herrn Burkhard Holm fragen. Außerdem sind vielleicht die Bromelien-Gesellschaften aus Holland, England und Brasilien an einer Beteiligung/Gemeinschaftsprojekt interessiert.

mfG
Alex
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Charles Dawkins
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Re: In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von Charles Dawkins »

Hallo Alex,

danke für deinen konstruktiven Beitrag.

Zum Inhalt:

Ich habe selber eine Ausbildung zum BTA hinter mir, habe also auch schon Calli hergestellt und kenne die Probleme. STC hat große Erfahrung in der Produktion, da sie diese Technik schon bei sehr unterschiedlichen Pflanzen erfolgreich angewendet haben. Die Methode hat viele Vorteile, aber natürlich darf man keine Wunder erwarten.

Ein wirtschaftlicher Betrieb muss möglich sein, aber das wird ja verdeutlicht durch das derzeitige Angebot von STC und anderen Zellkulturlaboren. Viele dieser Arten sind langsamwachsend, selten, einige auch schwierig in der Pflege.

Im übrigen sind die Probleme der klonalen Vermehrung STC durchaus bekannt, bei einigen Arten werden mehrere verschiedene Klone angeboten um wiederum Saatgut erhalten zu können.
Bei der seltenen Aloe haemanthifolia sind z.B. derzeit sogar 6 verschiedene Klone im Angebot.
Aber auch mit wenigen Klonen einer Art lässt sich eine langfristige Kultur verwirklichen.

Das man in Kultur nicht die gesamte genetische Vielfalt einer Art erhalten kann ist logisch.
Dies kann nur die Erhaltung der natürlichen Habitate leisten.

Die Pflanzen am Standort sind aber besser vor Naturentnahmen geschützt, wenn schon ausreichend Pflanzen in Kultur zur Verfügung stehen!
Ich will das keinewegs schlecht reden, aber man sollte hier nicht den Aufwand und vor allem die Kosten unterschätzen. Vor 15 Jahren hatte ich mal eine Anfrage gestellt zu einer Orchideen-Hybride, Kostenfaktor etwa 3.000 Euro/Jahr auf 3 Jahre, wenn man dem Labor 50% der Pflanzen überlässt. Das kann sich ja jetzt geändert haben, hier sollte man sich aber genau informieren ..
Darum geht es nicht. Es geht darum das der Zellkulturbetrieb seltene Pflanzen mit korrekten Herkünften erhält, die er dann nach der Vermehrung selber auf dem Markt anbieten kann.

Das heißt:

Der Betrieb trägt alle Kosten, das Risiko, aber erhält auch sämtliche Gewinne.

Der Vorteil der sich für uns ergibt ist die längerfristig bessere Verfügbarkeit seltener Arten auf dem Markt, und damit verbunden ein effektiverer Schutz der Wildvorkommen in der Natur.

Außerdem ist durch die klonale Vermehrung sichergestellt das Pflanzenmaterial exakt von einem Standort stammt, also nicht von zwei miteinnander gekreuzten Klonen, die von unterschiedlichen Orten stammen.
Die Pflanzen können also mit der genauen Herkunftsangabe vermarktet werden.

So steht dann auch immer autochthones Pflanzenmaterial zur Verfügung, sollte es einmal zu einer kompletten Wiederansiedelung oder besser einer vorzeitigen Bestandsergänzung in der Natur kommen müssen.

Es geht dabei nicht um die Arten die schon seit Jahren- oder Jahrzehnten in großem Maßstab erfolgreich in den Gartenbaubetrieben konventionell produziert werden. Sondern es geht auschließlich um die Arten deren klassische Vermehrung nur sehr langsam funktioniert oder um Arten die noch neu bzw. einfach noch sehr selten in Kultur sind.

Gruß,
Kai
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Berlinickerin
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Re: In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von Berlinickerin »

Ist ja super, dass Du schon Antwort hast, Kai!

Ich verstehe nicht genug von der biologisch-technischen Seite, frage mich aber, ob die Definition von 'selten' für so einen Betrieb und von uns nicht auseinandergehen könnte. Denn so ein Betrieb muss ja immer auch auf den späteren Verkauf denken, so dass Seltenheit eher Rarität sein könnte und wohl auch auf Schönheit und Pflegeleichtigkeit geschaut würde, denke ich mir.

Was aber wirklich super wäre, wenn - wie Kai sagt - der Bedarf hierzulande durch Nachzuchten und nicht durch Wildentnahmen gedeckt werden könnte. Und wenn man Tillandsien bei 'Pflanzenfreunden' präsenter macht und es so dann auch leichter wird, auf ihre Bedrohungen hinzuweisen.

Siehe Orchideen, die inzwischen ja bei uns die beliebteste Zimmerpflanze sind. Wobei ich mir solch hochgezüchtete, 'gedopte' Hybriden nun nicht für Tillandsien wünschen würde.

Viele Grüße
Jule
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Charles Dawkins
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Re: In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von Charles Dawkins »

Hallo Jule,

natürlich ist es ein Unterschied ob etwas nur in der Kultur, oder auch in der Natur selten bzw. rar ist.

Es gibt viele Arten in der Natur welche nicht sonderlich attraktiv sind, aber hochgradig bedroht und schutzbedürftig sind. Die Pflanzen sind meist nur selten in Kultur.

Diese Arten werden wohl eher nicht von einem Zellkulturlabor vermehrt werden, jedenfalls nicht wenn dieses wirtschaftlich arbeiten muss, da es keine Subventionen erhält.
Es gäbe in diesem Fall auch nur wenige Abnehmer für die Pflanzen.
Für diese Pflanzen ist es besonders wichtig das die Habitate geschützt werden, und dass genügend Exemplare in Schutzsammlungen und Botanischen Gärten erhalten werden. So kann man die Arten im Notfall ex Situ erhalten. Diese Arten haben aber in der Regel den Vorteil dass sie nicht so sehr durch Naturentnahmen betroffen sind.

Daneben gibt es Pflanzen die sowohl attraktiv als auch selten in Natur und Kultur sind.

Diese Pflanzen sind wohl die Zielgruppe für die Zellkultur. Hier ist der Bestand sowohl in der Natur- als auch in der Kultur niedrig, die Nachfrage aber wegen ihrer Attraktivität hoch. Dementsprechend sind sie neben Lebensraumverlust auch noch zusätzlich durch die Absammlung bedroht.

Daneben gibt es Pflanzen die in der Natur häufig vorkommen, aber die aus welchen Gründen auch immer bislang nicht in größeren Mengen vermehrt und abgeboten wurden.

Diese sind nicht selten, aber werden natürlich auch gerne als 'Raritäten' angeboten.
Ich denke es wäre korrekter zu schreiben das diese spezielle Art einfach nur selten angeboten wird.

Ein Sonderfall sind Arten die in der Natur in ihrem Habitat zwar häufig sind, die aber nur ein kleines Vorkommensgebiet besitzen.

Mir fällt da Tillandsia grazielae ein. In der Natur auf ihrer Felswand häufig, aber durch das kleine Gebiet ist die Art besonders anfällig für Naturkatastrophen wie Steinschlag oder den Klimawandel.
Solche Arten sind, sofern attraktiv, natürlich auch in der Zielgruppe für Zellkultur.
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Arvensis
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Re: In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von Arvensis »

Ja, da haben wir ein moralisches Dilemma, zumal es leider nicht nur eine oder zwei schützenswerte Arten gibt.

Für unser Klon-Thema hier halte ich allerdings eine Art für geeignet bei der wir genug Gelder zusammenbekommen würden aufgrund des allgemeinen Interesses.

Charles Dawkins hat geschrieben:Hallo,

vielleicht hilft es ja noch dem einen oder anderen, auch wenn meine Antwort spät kommt:

...
Daneben kann man die Art derzeit auch in Deutschland angeboten finden bei Ben's Jungle für 17,91 €.

Gruß,
Kai
Ich habe deine Antwort für ein Gesuch hier mal gemakelt: bei Tillandsia kautskyi sind auf der Seite sehr deutlich die vielen kleinen Seitentrieb-Blätter zu sehen,ein Zeichen für den Einsatz von Wachstumshormonen - ein einfaches Klonverfahren dass offenbar bei dieser Art funktioniert.
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Charles Dawkins
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Re: In-Vitro-Anzucht von Bromelien

Beitrag von Charles Dawkins »

Hallo Arvensis.
Ja, da haben wir ein moralisches Dilemma, zumal es leider nicht nur eine oder zwei schützenswerte Arten gibt.
Ich sehe darin kein Dilemma. Es soll bei den ein- bzw. zwei Arten auch nur darum gehen das der Zellkulturbetrieb Erfahrungen sammelt. Dies macht absolut Sinn, denn was würde es bringen wenn man sofort extrem seltene Pflanzenarten in Zellkultur zu bringen versucht und es dann nicht gelänge?

Wenn diese Tests erfolgreich verlaufen kann man darüber nachdenken mehr Arten (dann auch seltenere) in Zellkultur zu bringen.

Für die Arten, die zwar selten sind, aber sich nicht als Zierpflanze eignen oder deren Kultur zu schwer ist, kann man andere Lösungsansätze wählen. Schutz des Habitats, Saatgutverwahrung im Svalbard Global Seed Vault, Haltung in Schutzsammlungen- und Botanischen Gärten etc.

Man kann fast alle Arten retten, allein der Wille dazu muss vorhanden sein!
Am größten ist wohl die Gefahr das Bromelienarten aussterben bevor sie je ein Botaniker entdecken konnte.
Ich habe deine Antwort für ein Gesuch hier mal gemakelt: bei Tillandsia kautskyi sind auf der Seite sehr deutlich die vielen kleinen Seitentrieb-Blätter zu sehen,ein Zeichen für den Einsatz von Wachstumshormonen - ein einfaches Klonverfahren dass offenbar bei dieser Art funktioniert.
1.) Ich wollte lediglich bei der Suche nach T. carminea helfen.

2.) Laut Mark A. Dimmitt treiben einige Arten schon als Jungpflanze zahlreiche Kindel. Inwiefern dies auf T. kautskyi zutrifft kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls sehen die anderen Tillandsien der Seite völlig normal aus.
In a few species, seedlings multiply into clumps of rosettes at a very early age; Tillandsia ionantha and T. xiphioides often do this. In such cases, do not try to separate them; just let them cluster, at least until they can be easily separated.
[1]

3.) Selbst wenn Wachstumshormone zum Einsatz gekommen wären, was ich nicht ausschließen möchte, was wäre daran schlimm? Die Pflanzen sind genetisch identisch und nicht mutiert, gekreuzt oder was auch immer. Sie werden sich völlig gesund entwickeln, und der einzige Unterschied zu normalen Sämlingen ist, dass man so schneller zu einer kleinen Kolonie kommt als sonst.

4.) Zellkultur ist ein Klonverfahren, ein komplexer Prozess der in verschiedene wiederholbare Schritte unterteilt ist. Junge Sämlinge einfach mit Wachstumshormonen zu beschmieren in der Hoffnung damit die Kindelbildung anzuregen kann man wohl kaum als ein wissenschaftliches Verfahren bezeichnen...

Aber eigentlich habe ich auf diese Diskussion gar keine Lust, denn mir geht es in diesem Thread darum, dass seltene Arten vermehrt und erhalten werden können. Wenn T. kautskyi und einige andere Arten auf diese Weise für mehr Menschen zugänglich werden, warum denn nicht?
Es ist tausendmal besser als die Nachfrage durch Naturentnahmen zu befriedigen!


Gruß,
Kai

Quellen:

[1] GROWING ATMOSPHERIC TILLANDSIAS FROM SEED; Mark A. Dimmitt
"Unser Leben ist so sinnvoll, so ausgefüllt und großartig, wie wir selbst es gestalten. Und wir können es wirklich großartig gestalten." - Richard Dawkins
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